Die Jerichotrompete

Erklärung zur gleichnamigen Musikcollage von Wolfgang Eberhardt

 „Jerichotrompete“, Collage von Wolfgang Eberhardt, 50 x 150 cm, 2017

Jericho, Stadt in den Palästinensischen Autonomiegebieten, die von den Israeliten nach dem Exodus aus Ägypten im 14./15. Jahrhundert vor Christus erobert wurde. Nach dem Buch Josua (Nachfolger Moses) fielen die Mauern der befestigten Stadt durch den Klang von Trompeten, den sogenannten „Jerichotrompeten“. Die Geschichte des Falls der Stadt Jericho ist ein Paradebeispiel für psychologische Kriegsführung. Der Feldherr Josua hatte Spione in die Stadt geschleust, die zwar erkannt, aber nicht gefangen werden konnten, da sie von einer Prostituierten vor der Verfolgung geschützt und versteckt wurden. Am Tage des Angriffs umrundete Joshua mit seinem Heer und dem „Trompeten-Blasorchester“ Jericho bis zum Abend und zog sich dann zurück. Die Bewohner rechneten mit einem Nachtangriff und hielten die ganze Zeit auf den Mauern Wache. Aber nichts passierte. Das gleiche Spiel wiederholte sich am nächsten Tag und den 5 folgenden auch.  Am siebten  Tag kam noch das Massengebrüll seiner Soldaten dazu. Die Belagerten ergaben sich kampflos aus Angst und Erschöpfung und öffneten die Tore. Die berühmten „Mauern von Jericho“ waren somit gefallen.

Man könnte folglich die Jerichotrompete als die erste israelische Luftwaffe bezeichnen. Aus diesem Grund befindet sich unten links im Bild der Davidstern als Flachrelief mit den zwei waagerechten Balken, das Emblem der israelischen Luftwaffe. Diese zwei Balken, auf der Flagge in blauer Farbe, stehen für die Flüsse Euphrat und Nil und somit für das Territorium zwischen diesen Flüssen, das die Juden für sich als Herrschaftsgebiet beanspruchten, ähnlich wie die Deutschen in ihrem Deutschlandlied ein Großreich „von der Maas bis an die Memel, von dem Etsch bis an den Belt“ forderten. 

Im Rahmen der deutschen Reichs- und Territoriums-Vergrößerung kam die „Jerichotrompete“ bei den Nationalsozialisten ein weiteres Mal zum Einsatz. Im zweiten Weltkrieg ließ man an den Fahrwerksbeinen der deutschen Sturzkampfflugzeuge des Typs Junkers Ju 87 Sirenen anbringen, die beim Einsetzen des schnellen, steilen Sturzfluges über kleine Propeller angetrieben wurden und mit ihrem durchdringenden Ton den Gegner einschüchterten. Damit wurde der Sturzkampfbomber in den ersten zwei Kriegsjahren zur meistgefürchteten Waffe, deren psychologische Wirkung weit über den militärischen Nutzen hinausging.

Interessant ist neben der gleichen Benennung dieser subtilen Waffen der psychologischen Kriegsführung bei Juden und Deutschen  auch die Ausrichtung des Kriegszieles. Hitler und der alttestamentarische Josua führten einen Vernichtungskrieg. Josua ließ alle Bewohner Jerichos, obwohl sie sich kampflos ergeben hatten, mit Ausnahme der Familie der Prostituierten, die seine Spione versteckt hatte, hinrichten: Männer, Frauen, Kinder und auch alle Tiere.

Hitler startete mit dem „Unternehmen Barbarossa“ den rassenideologischen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. Das Hakenkreuz in der rechten oberen Ecke der Collage ist formal das Pendant zum Davidstern, allerdings nicht, wie fast immer vermutet, das der Nationalsozialisten. Deren Hakenkreuz steht mit der Spitze des abgewinkelten Hakens auf der Bodenlinie und hat dadurch  mehr Dynamik. Dieses hier liegt mit dem einen Arm des Hakens waagerecht auf der Bodenlinie und wirkt dadurch etwas statischer. Es ist das Hakenkreuz der finnischen Luftwaffe, die es 2005 wieder eingeführt hat. Das Militärblasorchester der Luftwaffe dieses EU-Staates schmetterte  wieder die Posaunen und marschiert unter diesem Fahnenzeichen (bis 2020).

Krieg und Musik, “Kriegsmusik“, ein durch die Jahrtausende reichendes und immer wieder in anderen Variationen auftauchendes Phänomen ist ein weiterer inhaltlicher Aspekt dieses Kunstwerkes. In diesem Zusammenhang ist nämlich auch das Notenblattfragment mit dem Titel: „Tochter Zion, freue dich. Variationen. Ludwig van Beethoven.“ zu verstehen. Den meisten wird dieses Lied als Advents- und Weihnachtslied vertraut sein. Seit dem Alten Testament (Prophet Sacharja, 9,9) steht „Tochter Zion“ als schillernder Begriff für die Stadt Jerusalem in Gestalt einer Frau. 

G.F. Händel hatte die Melodie für sein Oratorium „Joshua“ 1747 komponiert und dann in seinem Oratorium „Judas Maccabaeus“ übernommen, in dem es im übertragenen Sinne um den Kampf zwischen der englischen Krone und den schottischen Freiheitskämpfern ging. Das Oratorium ist dem Duke of Cumberland, William Augustus zugeeignet worden, dessen vernichtenden Sieg über die schottischen Stuarts (Thronfolgeranspruch) in der Schlacht von Cullodan, 16. April 1746, es feiert. Der Duke of Cumberland wurde fortan in Schottland „The butcher (Schlachter) of Culloden“ genannt, da er ähnlich wie der alttestamentarische Josua keine Gefangenen machen ließ, sondern seinem Elitekorps befahl, alle verletzt gebliebenen Kämpfer der Highlandarmee mit dem Bajonett gnadenlos zu erstechen. Der Liedtext im Händelschen Oratorium lautet: „Siehe, der erobernde Held kommt, lasst die Trompeten erschallen, lasst die Trommeln schlagen, bereitet den Kampf vor, bringt den Lorbeerkranz, singt ihm ein Lied des Triumphes.“

Der Hintergrund des Kunstwerkes ist mit einer Schriftcollage aus hebräischer Schrift (Altes Testament) und deutscher Fraktur-Schrift gestaltet (Schicksal und Anteil, Ein Lebensweg in deutscher Wendezeit von Heinrich Spiero, Volksverband der Bücherfreunde, Berlin 1929). Die Schriften sind an den Bildrändern links und rechts noch eindeutig und klar dem jeweiligen Urtext zuzuordnen. Zur Mitte hin jedoch vermengen sie sich, sind zum Teil kopfüber aneinandergefügt und textlich vollkommen unverständlich, gleich einer „Babylonischen Sprachverwirrung“. Formal durchdringen sich beide Texte und zeigen somit das Eine im Anderen auf. Im übertragenen Sinne dokumentiert die Collage das Vorhandensein der gleichen Elemente und Phänomene in unterschiedlichen kulturellen Äußerungen.

Zusammenfassend ist erkenntlich, dass das hier vorgestellte Kunstwerk ein geradezu ideales Bildmedium für ein musikinteressiertes Publikum darstellt. Durch seine vielen Interpretationsansätze und Offenheit lädt es zum Gespräch ein und gibt Ihnen als Besitzer, Musiker und Wissenden den glanzvollen Rahmen für interpersonelle Beziehungen.

Vielen Dank für Ihr Interesse und Geduld.
Wolfgang Eberhardt

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